Leitlinie christlichen Handels auch heute noch aktuell: die Barmer Theologische Erklärung.
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Bekenntnisse
Barmer Theologische Erklärung
Im Mai 1934 gründete sich die Bekennende Kirche (BK) in Deutschland, eine Oppositionsbewegung evangelischer Christen, die gegen Versuche der Gleichschaltung von Lehre und Organisation der Deutschen Evangelischen Kirche während der Zeit des Nationalsozialismus protestierten.
Gut ein Jahr nachdem Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden war, verabschiedete die Bekennende Kirche zwischen 29. und 31. Mai 1934 in Wuppertal-Barmen die „Barmer Theologische Erklärung“ als Protest-Dokument gegen die allzu deutsche christliche Ideologie.
Christliche Botschaft sollte "dienstbar" gemacht werden
Denn die politischen Verhältnisse in Deutschland während des so genannten Dritten Reichs (1933-1945) waren bekanntermaßen auf die Machtausübung einer einzigen Partei ausgerichtet. Alle Strukturen und Kräfte des Staates sollten dem Diktat der NSDAP unterworfen werden. Deshalb gab es starke Bestrebungen, auch die verfassten Kirchen "gleichzuschalten".
Sonntagsblatt THEMA
Die Barmer Theologische Erklärung - Was bedeutet sie heute?
Themenheft mit historischem Hintergrund, Informationen zu Verfassern, Barmen und weiteren Bekenntnissen, sowie theologischer Bedeutung der Barmer Erklärungen hier als PDF zum Durchblättern.
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Über die Bewegung der "Deutschen Christen" und die Besetzung einflussreicher kirchlicher Ämter durch Parteimitglieder sollten die christliche Botschaft und die kirchlichen Organisationen der nationalsozialistischen Ideologie dienstbar gemacht werden. Durch entsprechende Gesetze und Staatskirchenverträge sollte die Eigenständigkeit der einzelnen Kirchen geschwächt werden.
Klares Profil für die Bekennende Kirche
In der Bekennenden Kirche sammelten sich die Widerstandskräfte der verschiedenen protestantischen Kirchen gegen diese Entwicklung. Der Reichsbruderrat, eine evangelische, kirchenübergreifende Gruppe verantwortlicher Persönlichkeiten, berief deshalb für die Deutsche Evangelische Kirche vom 29. bis 31. Mai 1934 eine Bekenntnissynode nach Barmen-Gemarke ein.
Diese Versammlung sollte die Erhaltung der rechtmäßigen Strukturen der Deutschen Evangelischen Kirche sichern und der Bekennenden Kirche durch die Verabschiedung einer Theologischen Erklärung gegenüber den Deutschen Christen und der gleichgeschalteten Reichskirche ein klares Profil geben.
Dieter Breit / Nora Andrea Schulze
SONDERAUSGABE anlässlich 80 Jahre Barmer Theologische Erklärung
Dieter Breit informiert über historische Hintergründe und expliziert wesentliche Aspekte zur vertieften theologischen Reflexion des »Barmer Bekenntnisses«, wie die Erklärung auch genannt wird. Und Nora Andrea Schulze analysiert, warum die Barmen-Rezeption in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern eher verhalten war.
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Staatliche Vereinnahmung zurückgewiesen
Die Beratungen im Vorfeld und während der Synodaltagung waren besonders dadurch erschwert, dass in Barmen Vertreter unterschiedlicher protestantischer Kirchen und Traditionen zusammenkamen, die nach 400 jähriger Trennung zu einer gemeinsamen Sprache und Erklärung finden mussten. Schließlich wurde der Entwurf, den Karl Barth, Hans Asmussen und Thomas Breit vorgelegt hatten, in veränderter Fassung von der Bekenntnissynode angenommen.
In Schriftzitaten und eindrücklichen, klaren Formulierungen wird das Wesen der Kirche und ihres Auftrages entfaltet und die staatliche Vereinnahmung der Kirche zurückgewiesen.
Historisches Dokument einer mutigen Gegenbewegung
Die Barmer Theologische Erklärung ist eines der wenigen Zeugnisse des kirchlichen Widerstandes im Dritten Reich. Als kirchliches Lehrzeugnis, zum Teil auch als Bekenntnisschrift, hat sie in den lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen unterschiedlich große Bedeutung.
Die Barmer Theologische Erklärung ist nicht nur das historische Dokument einer mutigen Gegenbewegung, sondern entwirft eine Leitlinie christlichen Handelns, die auch heute noch aktuell ist.
Jesus Christus spricht: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. (Joh 14, 6)
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer nicht zur Tür hineingeht in den Schafstall, sondern steigt anderswo hinein, der ist ein Dieb und Räuber. Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden. (Joh 10,1.9)
Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.
Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.
Durch Gott seid ihr in Christus Jesus, der uns von Gott gemacht ist zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung. (1. Kor 1, 30)
Wie Jesus Christus Gottes Zuspruch der Vergebung aller unserer Sünden ist, so und mit gleichem Ernst ist er auch Gottes kräftiger Anspruch auf unser ganzes Leben; durch ihn widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen.
Wir verwerfen die falsche Lehre, als gebe es Bereiche unseres Lebens, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern an deren Herren zu eigen wären, Bereiche, in denen wir nicht der Rechtfertigung und Heiligung durch ihn bedürften.
Lasst uns aber wahrhaftig sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken zu dem hin, der das Haupt ist, Christus, von dem aus der ganze Leib zusammengefügt ist. (Eph 4,15.16)
Die christliche Kirche ist die Gemeinde von Brüdern, in der Jesus Christus in Wort und Sakrament durch den Heiligen Geist als der Herr gegenwärtig handelt. Sie hat mit ihrem Glauben wie mit ihrem Gehorsam, mit ihrer Botschaft wie mit ihrer Ordnung mitten in der Welt der Sünde als die Kirche der begnadigten Sünder zu bezeugen, dass sie allein sein Eigentum ist, allein von seinem Trost und von seiner Weisung in Erwartung seiner Erscheinung lebt und leben möchte.
Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen.
Jesus Christus spricht: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener. (Mt 20,25.26)
Die verschiedenen Ämter in der Kirche begründen keine Herrschaft der einen über die anderen, sondern die Ausübung des der ganzen Gemeinde anvertrauten und befohlenen Dienstes. Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und dürfe sich die Kirche abseits von diesem Dienst besondere, mit Herrschaftsbefugnissen ausgestattete Führer geben und geben lassen.
Fürchtet Gott, ehrt den König. (1. Petr 2,17)
Die Schrift sagt uns, dass der Staat nach göttlicher Anordnung die Aufgabe hat, in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche steht, nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen. Die Kirche erkennt in Dank und Ehrfurcht gegen Gott die Wohltat dieser seiner Anordnung an. Sie erinnert an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten. Sie vertraut und gehorcht der Kraft des Wortes, durch das Gott alle Dinge trägt. Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen. Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne sich die Kirche über ihren besonderen Auftrag hinaus staatliche Art, staatliche Aufgaben und staatliche Würde aneignen und damit selbst zu einem Organ des Staates werden.
Jesus Christus spricht: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. (Mt 28,20) Gottes Wort ist nicht gebunden. (2. Tim 2,9)
Der Auftrag der Kirche, in welchem ihre Freiheit gründet, besteht darin, an Christi Statt und also im Dienst seines eigenen Wortes und Werkes durch Predigt und Sakrament die Botschaft von der freien Gnade Gottes auszurichten an alles Volk. Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne die Kirche in menschlicher Selbstherrlichkeit das Wort und Werk des Herrn in den Dienst irgendwelcher eigenmächtig gewählter Wünsche, Zwecke und Pläne stellen.
16.12.2020
Almut Steinecke