Ganz gleich, welches Lebensthema gerade am wichtigsten für einen ist – in der Bibel spiegelt sich die ganze Breite menschlicher Erfahrungen wider.
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Lebensthemen in der Bibel
Für alle Lebenslagen
Denn viele Themen der Bibel sind nach wie vor aktuell. In ihren Geschichten, Gebeten und Liedern erzählt sie von Menschen, die hoffen und lieben, Zorn und Angst empfinden, unter Ungerechtigkeit leiden und sich mit dem Tod auseinandersetzen müssen – wie wir. So kommen wir über den Abstand von Jahrtausenden hinweg in den Texten selbst vor – mit den Sonnen- und Schattenseiten unserer Existenz.
Ein Leben ohne Feste wäre sicherlich nur halb so schön. Doch noch gibt es sie ja, die Stunden, die ein Bauchkribbeln verursachen und eine Hochstimmung erzeugen; diese Stunden der Muße und Fröhlichkeit. Ausgelassen können wir den Alltag hinter uns lassen.
Auch in den verschiedenen Schriften der Bibel wird immer wieder von Festen, Festgesängen und Festgelagen erzählt. Christen dagegen werden für Festmuffel gehalten. Tanzen und Lachen werden in der Kirche nicht vermutet. Gottesdienste geben offiziellen Feierlichkeiten einen würdevollen Rahmen. Und so ernst und würdig kann auch das Bild von Jesus sein. Allerdings haben nicht alle Zeitgenossen Jesu so gesehen. Seine Feinde nannten ihn sogar einen "Vielfraß und Säufer" (Mt 11,19). Aber erzählt und aufgeschrieben wurde das Leben Jesu von seinen Anhängern, und diese Erzählungen wollen ein Bild Jesu als Gottes Sohn vermitteln. Dennoch finden sich auch darin Texte, in denen Jesus ganz irdisch, mit Witz und Humor erscheint, wie bei der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-11):
Jesus schien kein Problem damit zu haben, für das Vergnügen der Festgesellschaft zu sorgen. Er feierte mit den Menschen die Hochzeit, war am späten Abend noch dabei und machte es zu seiner Sache, für Nachschub an Wein zu sorgen. Zu seinem Leben gehörten auch das Feiern, die Geselligkeit und die Lebensfreude.
Quelle: Petra Birke, Gottes unbekanntes Buch. Ein Wegweiser durch die Bibel, © 2006 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, auf www.die-bibel.de, das Bibelportal der Deutschen Bibelgesellschaft.
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Liebeslieder gab es gewiss schon in "grauer Vorzeit". Die ältesten, die wir kennen, stammen aus Ägypten vom Ende des zweiten Jahrtausends vor Christus. Ganz ähnliche Liebeslyrik findet sich auch im Alten Testament. Das "Hohelied" ist ein Gedicht- und Liederbuch, das man auch "Lied der Lieder", also "schönstes Lied" nennen kann. In orientalischer Pracht und Fülle der Sprachbilder wird hier die Liebe zwischen Mann und Frau gefeiert. Dazu gehören auch überschwängliche Beschreibungen der Geliebten. Vergleiche für ihre Schönheit werden in der Natur gesucht: "Weinberg", "Garten" und "Quelle" symbolisieren die Reize der Freundin.
Was manche jedoch nicht in der Bibel vermuten würden, ist der sinnenfrohe, unbefangene, erotische Ton der Sprache:
Deine beiden Brüste sind wie junge Zwillinge von Gazellen,
die unter den Lilien weiden.
Bis der Tag kühl wird und die Schatten schwinden,
will ich zum Myrrhenberge gehen und zum Weihrauchhügel.
Du bist wunderbar schön, meine Freundin,
und kein Makel ist an dir. (Hld 4,5-7)
Die Liebenden bewundern einander nicht nur, sie sprechen auch miteinander. Anders als in moderner Liebeslyrik, die bisweilen die Distanz und das Für-sich-Sein betont, begegnen wir im Hohenlied Staunen, Ehrfurcht, Hingabe, sinnenhafter Freude bis zur Atemlosigkeit. Und Außenstehende werden beschworen, das Liebesspiel nicht zu stören, das sich als Ort nicht selten die freie Natur sucht.
Ein Teil der Gedichte sind Hochzeitslieder. Das Brautpaar, das mit Verwandten und Freunden mehrere Tage feiert, wechselt dabei die Rollen: Mal sind die beiden Hirten, mal Gärtner, ja, auch König und Königin. Auf diese Weise kam wohl der Name des Königs Salomo ins Spiel, dem man das Hohelied zuschrieb. Dieser Umstand mag dazu beigetragen haben, dass man diese ganz profane Liedersammlung in den Kanon der Hebräischen Bibel aufnahm. Rabbiner haben versucht, dem Hohenlied eine "höhere" Auslegung zu geben: Sie wollten in den Texten die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk Israel ausgedrückt sehen. Solch eine "Allegorisierung" des Hohenliedes wurde später auch im Christentum vorgenommen. Man deutete es auf die Beziehung Christi zu seiner Gemeinde oder als Allegorie der Beziehung zwischen Christus und der Seele des Einzelnen.
Heute, im Zeitalter der Beziehungskrisen, tun wir gut daran, das ursprüngliche Verständnis dieser elementaren, herzhaften und öffnenden Liebeslyrik wieder zurückzugewinnen. Liebe ist das schönste Geschenk Gottes an die Menschen. Ihre alle Ordnungen sprengende Kraft findet den vielleicht kühnsten Vergleich in den berühmten Zeilen aus dem 8. Kapitel:
Denn Liebe ist stark wie der Tod
und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich.
Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn,
so dass auch viele Wasser die Liebe nicht auslöschen
Quelle: Petra Birke, Gottes unbekanntes Buch. Ein Wegweiser durch die Bibel, © 2006 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, auf www.die-bibel.de, das Bibelportal der Deutschen Bibelgesellschaft.
Reiche hat es immer gegeben, Arme ebenso. Nur auf diese Weise scheint die Welt zu funktionieren: Die einen haben die Macht, die anderen passen sich an. Doch eines Tages stand einer auf und sprach:
Ich kenne eure Freveltaten, die so viel sind,
und eure Sünden, die so groß sind,
wie ihr die Gerechten bedrängt
und Bestechungsgeld nehmt
und die Armen im Tor unterdrückt.
Darum muss der Kluge zu dieser Zeit schweigen;
denn es ist eine böse Zeit. (Amos 5,11-13)
Hochpoetisch, hochaktuell – und hochgefährlich. Der Mann, der diese Worte sprach, hieß Amos. Ein scharfer Beobachter. Was er sah, nannte er beim Namen: Missstände und Korruption. Er sah tiefer: Die sozialen Missstände in der Gesellschaft hatten ihre Wurzel in der Gottlosigkeit des Volkes und seiner Führer. Nicht in einer offenen Gottlosigkeit – nicht in einem Atheismus im neuzeitlichen Sinne –, sondern in einer Missachtung Gottes. Wohl veranstaltete man feierliche Gottesdienste, aber man erwartete nicht, für das eigene Verhalten von ihm zur Rechenschaft gezogen zu werden. Dem musste Amos seine Warnung entgegensetzen, seine unbequeme und mutige Rede. Und er sprach weiter:
Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder;
denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören!
Es ströme aber das Recht wie Wasser
und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. (Amos 5,23-24)
Wer war dieser Amos? Er war ein Schafzüchter aus dem Dorf Tekoa, der im achten Jahrhundert vor Christus lebte und eines Tages den Ruf verspürte, Gottes Botschaft auszurichten. Gott wollte mit den Menschen reden, weil ihr Un¬recht ihn erzürnte. Er wollte ein Gott des ganzen Volkes sein, jedes Einzelnen. Ihm zu dienen bedeutete, gerecht miteinander umzugehen. Um von Menschen verstanden zu werden, beauftragte er Menschen, seinen Willen auszusprechen. Von sich aus hätten sie den Mut zu reden nicht gehabt. Das bedeutet es, wenn wir sagen, Amos war ein Prophet, ein Sprachrohr Gottes unter den Menschen. Wir fragen: Gibt es Menschen, die in unserer Zeit so zu reden wagen? Und wenn sie es tun, in wessen Auftrag sprechen sie? Oder: Erreicht uns Gott noch heute durch den Mund des Amos?
Quelle: Petra Birke, Gottes unbekanntes Buch. Ein Wegweiser durch die Bibel, © 2006 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, auf www.die-bibel.de, das Bibelportal der Deutschen Bibelgesellschaft.
Ein Umkehr-Erlebnis hat das Leben des Paulus (Saulus) völlig verändert: Aus einem Christenverfolger wurde ein Missionar des Christentums, ein rastloser Prediger und Verteidiger des christli¬chen Glaubens.
Der Verfasser der Apostelgeschichte, Lukas, hat zwei Generationen später dieses Ereignis dreimal ausführlich überliefert. In Apg 9,3-9 beschreibt er es so:
Auf dem Weg nach Damaskus, kurz vor der Stadt, umstrahlte ihn plötzlich ein Licht vom Himmel. Er stürzte zu Boden und hörte eine Stimme: "Saul, Saul, warum verfolgst du mich?" "Wer bist du, Herr?", fragte Saulus. Die Stimme sagte: "Ich bin Jesus, den du verfolgst. Aber steh auf und geh in die Stadt! Dort wirst du erfahren, was du tun sollst."
Wie wirkt ein solches Wende-Ereignis auf die eigene Person? Das Erleben krempelt einen Menschen so um, dass ihn andere nicht wiedererkennen. Drei Tage sind Zeit genug, um ein paar Nächte darüber zu schlafen. Paulus musste den Wandel erst noch begreifen. Dann war jemand da, der die Augen öffnen half: Hananias, der schon Christ geworden war. Er reichte dem Verfolger die Hand. Diese Geste eröffnete für Saulus den Weg zur Taufe. Saulus war als Fanatiker bekannt, der für den jüdischen Glauben und dessen Erhaltung kämpfte. Er konnte Abweichler nicht dulden. Bald aber sollte er ein anerkanntes Mitglied der Gemeinschaft sein, die er gerade noch verfolgt hatte. Saulus wurde zum Paulus.
Wie wirkt ein solches Wende-Ereignis auf andere? Wenn Menschen plötzlich eine innere Wende erleben, wird die Umgebung misstrauisch: "Ist der Wandel echt – oder hängen sie die Fahne nach dem Wind?"
Die äußeren Beziehungen des Menschen verändern sich völlig: Die alten Freunde werden zu Feinden, weil sie den Verräter verachten. Die früheren Feinde zögern, Freunde zu werden, weil sie dem Überläufer nicht trauen. Die ständige Beweislast überfordert den Einzelnen: Kann ich den neuen Anforderungen gerecht werden? Wie gehe ich mit meiner bisherigen Geschichte um? Was wird aus der abgelegten Überzeugung?
Reicht eine so kurze Zeit aus, um darüber Klarheit zu gewinnen? Für Paulus muss man nach seinen eigenen Aussagen (Gal 1,11-24) annehmen, dass dieser Prozess der Veränderung mehrere Jahre gedauert hat. Aber es gibt auch Bleibendes, das das Leben geprägt hat. Denn mit dem Neuen verbindet sich das Frühere. Paulus wollte seine jüdische Herkunft nicht verleugnen: Der Glaube an den Gott Israels, der mit dem Gesetz die Lebensregeln gegeben hat, konnte in ihm nicht erschüttert werden. Die neue Einsicht aber lautete: Dieser eine Gott hat in Jesus Christus der ganzen Menschheit einen Weg der Erlösung angeboten, nicht nur dem Volk Israel.
Bis heute ist es so: Wer über eine Lebenswende zum Christentum kommt, muss sich gegenüber den Etablierten behaupten und bekennen. Aber weil er von außen kommt, sieht er oft schärfer, wo Anpassung aufgegeben und der Weg von Widerstand oder Verweigerung gegangen werden muss. Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen. (Galater 5,1)
Quelle: Petra Birke, Gottes unbekanntes Buch. Ein Wegweiser durch die Bibel, © 2006 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, auf www.die-bibel.de, das Bibelportal der Deutschen Bibelgesellschaft.
So lang es Menschen gibt, stellen sie sich die Frage nach dem Tod. Ist er das Ende allen Lebens – oder gibt es ein Weiterleben nach dem Tod? Wir erfahren den Tod von Angehörigen als endgültig und unumkehrbar, als Abbruch der Beziehung. Kennt christlicher Glaube über das hinaus, was wir über den Tod denken, noch etwas anderes?
Der Apostel Paulus hat sich diese Frage in seinen Briefen gestellt. Dazu schreibt er im 1. Korintherbrief, Kapitel 15:
So könnt ihr euch auch ein Bild von der Auferstehung der Toten machen. Was in die Erde gelegt wird, ist vergänglich; aber was zum neuen Leben erweckt wird, ist unvergänglich. Was in die Erde gelegt wird, ist armselig; aber was zum neuen Leben erweckt wird, ist voll Herrlichkeit. Was in die Erde gelegt wird, ist hinfällig; aber was zum neuen Leben erweckt wird, ist voll Kraft. Was in die Erde gelegt wird, war von natürlichem Leben beseelt; aber was zu neuem Leben erwacht, wird ganz vom Geist Gottes beseelt sein. (1. Korinther 15,42-44)
Von Paulus wird der Tod völlig ernst genommen: Er gehört zur sterblichen Welt, zur "Welt Adams", und kennt keine Ausnahme. Dem stellt Paulus das neue Leben gegenüber, das nicht irdisch ist, sondern von Gottes Geist gegeben wird. Um dies zu erleben, muss zuvor alles Irdische sterben. Das neue Leben setzt also das alte nicht fort. Es lässt sich auch nicht als Seelenwanderung und Wiederverkörperung einer unsterblichen Seele fassen. Dagegen stellt sich Paulus das neue Leben als eine neue Schöpfung Gottes vor, als Neugestaltung des Geistes aus einer unsterblichen Welt. Er glaubt, dass die Auferstehung Jesu das Zeichen dieses neuen Lebens aus dem Geist für alle Menschen ist.
Wir können uns nur unzureichende Bilder von dieser Hoffnung auf das neue, ewige Leben machen, die Paulus bezeugt. Paulus sieht das Ziel dieser vergänglichen Welt und Geschichte in dem unvergänglichen Gott. So ist es für die, die an dieser Hoffnung teilhaben, nicht gleichgültig, wie sie die eigene Lebensführung gestalten. Über Tod und Leben entscheiden wir täglich mit. Hier hat der Gedanke des Weltgerichts seinen Platz.
Quelle: Petra Birke, Gottes unbekanntes Buch. Ein Wegweiser durch die Bibel, © 2006 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, auf www.die-bibel.de, das Bibelportal der Deutschen Bibelgesellschaft.
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Freude und Enttäuschung, Liebe und Eifersucht – die Menschen, von denen die Bibel erzählt, kennen all das. Sie streiten und versöhnen sich, sie werden schuldig und missbrauchen ihre Macht, Sie vertrauen auf Gott, aber sie hadern auch mit ihm oder gehorchen ihm nicht. In der Bibel stehen nicht nur Erfolgsgeschichten. Es sind Geschichten des Gelingens und des Scheiterns, des Fallens und Wiederaufstehens. Nur so können sie wirklich zu Lebensbegleitern werden.
14.12.2020
Anne Lüters